Transgenerationales Trauma
Transgenerationales Trauma
Schon bevor ich lesen und schreiben konnte war mir eines völlig klar - „der Krieg“ hat das Leben vieler meiner erwachsenen Bezugspersonen sehr beeinträchtigt. Ohne „den Krieg“ würde es ihnen viel viel besser gehen – dass es auch mir und meinen Mitschülern und Freunden dann besser gehen würde, habe ich erst erheblich später verstanden. Wiederum noch viel später wurde mir klar, dass auch den nächsten Generationen ein Teil der Last aufgebürdet wurde.
Darüber geredet wurde aber eigentlich nicht, nur mal in knappen Andeutungen, auf Nachfragen gab es Antworten wie „Das braucht ihr nicht zu wissen, ihr seid ja besser dran“.
Das war so etwa der Standard in Deutschland in den 50er und 60er Jahren. Wer den Krieg oder gar beide Kriege miterlebt hatte wollte nicht darüber reden sondern schnellstmöglich vergessen und eine schöne neue Welt erschaffen – das war die treibende Kraft für die sogenannten Wirtschaftswunderjahre.
Die Ursachen für das allgemeine Schweigen über die Vergangenheit waren vielfältig, man wollte sich an erlebte Traumata möglichst nicht erinnern, man wollte die eigene Beteiligung an Mord und Totschlag vergessen, oder die eigene Mittäterschaft vertuschen und in der neuen BRD oder DDR wie vorher im Nazideutschland unbehelligt gehobene Positionen einnehmen.
Unsere Vorfahren konnten und wollten nichts aufarbeiten. Es gab keine Therapieangebote wie heute und kein Bewusstsein über andere Möglichkeiten als Verdrängen und Vergessen. Die nachfolgenden Generationen tragen noch heute schwer an der Last ihrer Eltern und Großeltern, zumeist ohne eine Ahnung davon zu haben, was eigentlich wirklich ihr Leben belastet.
Erst um die Jahrtausendwende tauchten Kriegskinder und Kriegsenkel in der Literatur auf, nicht zuletzt dank der engagierten Journalistin Sabine Bode (siehe Literaturtipps: Service & Infos) begann die unbewältigte Vergangenheit so langsam ins allgemeine Bewusstsein zu rutschen.
Inzwischen wird der etwas sperrige Begriff Transgenerationales Trauma benutzt als Oberbegriff für die Weitergabe unbewältigter Traumata. Transgenerationales Trauma bedeutet über Generationen weitergegebenes Trauma. Der Begriff ist neu, das Phänomen als solches ist keineswegs neu, es wird schon im alten Testament erwähnt :
2. Mose 34.7 ...sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte oder vierte Glied.
Und auch mit der Möglichkeit der Veränderung:
Jeremia 31.29 ...wird man nicht mehr sagen „die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden“ sondern ein jeder wird um seiner Schuld willen sterben, und wer saure Trauben gegessen hat, dem sollen seine Zähne stumpf werden.
Auf welchen Wegen die Traumata unserer Vorfahren weitergegeben wurden, mit welchen Folgen für die nachfolgenden Generationen und wie es möglich ist etwas zu verändern für sich selbst und für die eigene Familie - damit beschäftigt sich das Seminar "Kriegskinder und Kriegsenkel", (jedoch z.Z. nicht im Angebot).